Seit Mitte Januar hat das mittelamerikanische Guatemala einen neuen Präsidenten, Bernardo Arévalo, von der mittlerweile suspendierten Mitte-Links Partei Semilla. Was in den meisten Ländern der Region nicht ungewöhnlich ist, stellt hier einen Bruch mit der jahrzehntelangen Alleinherrschaft einer korrupten Oligarchie dar. Arévalo gewann die Wahlen im vergangenen August als Überraschungskandidat, nachdem aussichtsreichere linke Kandidat*innen mit juristischen Tricks von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Die im „Pakt der Korrupten“ zusammengeschlossenen rechtsautoritären Kräften versuchten dabei bis zuletzt, den Amtsantritt des gewählten Präsidenten zu verhindern, die Generalstaatsanwaltschaft des Landes spielte dabei eine Schlüsselrolle. Deren Manöver konnten durch eine beeindruckende Mobilisierung der indigenen Bevölkerung gestoppt werden, die mit Straßenblocken im Oktober das halbe Land lahmlegte und bis zur Amtseinführung des Präsidenten mit einem Protestcamp in der Hauptstadt das Wahlergebnis durchsetzte. Die Indigenen verteidigten damit die Ansätze von bürgerlicher Demokratie eines Staats, der nicht der Ihre ist. Dieser Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht durch die traditionell marginalisierten Unterklassen stellt dabei eine historische Erfahrung der Gegenmacht dar die weit über den Regierungswechsel hinausweist. Die führende Rolle spielten dabei die indigenen Selbstverwaltungsstrukuren, die in weiten Teilen des Landes als Parallelstrukturen zu den Kommunalregierungen des offiziellen Staates bilden. Diese wurden 1996 im bis heute wenig umgesetzten Friedensvertrag zwischen dem Staat und der linken Guerilla rechtlich anerkannt, der einen seit 1961 andauernden Bürgerkrieg beendete, den die Armee Anfang der 80er Jahre zu einem rassistischen Völkermord an den Indigenen eskaliert hatte. Vorausgegangen war dem 1954 ein von den USA gestützte Militärputsch, der den ersten demokratischen Aufbruch des Landes beendete, der mit der Präsidentschaft des Vaters des jetzigen Präsidenten, Juan José Arévalo ab 1944 begonnen hatte. Ohne sich Illusionen in den beschränkten Charakter der neuen Regierung zu machen hoffen die linken und revolutionären Kräfte des Landes nun darauf, den neuerlichen demokratischen Aufbruch zu einen Prozess des sozialen Wandels in diesem zutiefst ungleichen Land ausweiten zu können.