Zwischen Erinnerungskultur, Staatsraison und jüdischer Vielfalt

Seit dem 7. Oktober steht die Sicherheit von Jüdinnen und Juden auch hierzulande vermehrt im Fokus. Es wird darum gerungen, wer die Deutungshoheit besitzt und wem Schutz gebührt. Gezeichnet wird ein monolithisches Bild von Jüd:innen und Jüdischsein, welches im Gegensatz zur tatsächlichen Heterogenität und Vielfalt jüdischer Identitäten sowie politischen Meinungen steht. Progressive jüdische Stimmen, die sich gegen Besatzung, Unterdrückung und den andauernden Völkermord in Gaza aussprechen, werden oft selbst diffamiert oder gecancelt. In diesem Kontext drängen sich folgende Fragen auf: Welche jüdischen Identitäten werden in der deutschen Debatte über andere gestellt und warum? Welchen Einfluss hat die deutsche Staatsraison auf diese vermeintliche Hierarchie der Legitimität? Wie blickt die israelische Linke eigentlich auf den deutschen Diskurs? Im Gespräch mit dem israelischen Schriftsteller und Übersetzer Tomer Dotan-Dreyfus wollen wir Antworten auf diese Fragen finden. Tomer lebt seit über 10 Jahren in Berlin und wurde eine prominente Stimme im Literaturbetrieb und auf Social Media zu dem Thema.


Führung in Bewegung - der subjektive Faktor im Marxismus von Lukács bis Barker

Dem Marxismus haftet der Vorwurf an deterministisch zu sein und dem menschlichen Handeln kein konzeptionellen Platz in der Theorieentwicklung zuzugestehen. In diesem Workshop wollen wir uns mit denjenigen Marxisten beschäftigen, die sich schon früh die Aufgabe gestellt haben den "subjektiven Faktor" einen entscheidenden Platz in der Theorie und Strategieentwicklung des Marxismus zu geben. MIt Begriffen wie "Moment" und dem Konzept der Zurechnung schafft Lukács in  weitestgehend unbekannten Textpassagen eigene Begriffe, um Lenins Organisationstheorie zu formulieren. Diese wollen wir nutzen und mit den Ansätze des marxistischen Bewegungsforschers Colin Barker kombinieren. Barker richtet dabei den Fokus darauf Führung in sozialen Bewegungen begrifflich zu fassen und mit der Theoriebildung des Marxismus zu verbinden. Führung fasst er dabei immer als Aktivität von Aktivist*innen gleichzeitig als Verhältnis von Strategie- und Meinungsbildung innerhalb der Bewegung. Beide Theoretiker eint, dass sie ihre Forschung nicht aus akademischen Interesse, sondern vom Standpunkt des Revolutionärs angegangen sind.

Verena Riedmiller und Luigi Wolf arbeiteten als Organizer*innen in verschiedenen Streiks und Kampagnen.


Zur Aktualität der Kritischen Theorie heute

Die Kritische Theorie ist Marxismus in reflektierter Form. Ihre These ist: Mit dem Faschismus ist die bürgerliche Aufklärung gescheitert, mit dem Stalinismus das Versprechen der sozialistischen Revolution. Kriege, Folter, Verfolgung und Vertreibung von Menschen gehen weiter als hätte es nie den Versuch gegeben, das Glück einer und eines jeden zu verwirklichen und vernünftige Verhältnisse herzustellen. Ihre Analyse ist weiterhin aktuell angesichts von Ausbeutung der Menschen und der Natur, Antisemitismus und Rassismus, sexulisierter Gewalt und ökologischer Zerstöung bis hin zum sechsten großen Artensterben, der Vernichtung von Lebensgrundlagen für einen großen Teil der Menschheit. Bemerkenswert ist, dass Marcuses These aus den 1960er Jahren erneut zu gelten scheint: die Gesellschaft ist ohne Opposition. Emanzipatorisches Denken und wissenschaftliche Einsicht bleiben weitgehend folgenlos und finden sich nur in Minderheiten. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat es nicht nur die Erfahrungen umfassender Widerstände und Protestbewegungen gegeben, sondern der Kapitalismus hat sich in seiner Gesamtheit verändert. Angesichts der veränderten Formen von bürgerlicher Herrschaft muss sich auch die kritische Gesellschaftstheorie erneuern, und es muss darüber nachgedacht werden, wie aus der emanzipatorischen Tendenz ein Hauptstrom der gesellschaftlichen Entwicklung wird.


Medienkritik ist links: Jenseits von Linksliberalismus und Rechtspopulismus

Mit den Enthüllungen von correctiv.org hat es der Kampf gegen Rechts wieder nach ganz oben auf die Tagesordnung linker und linksliberaler Zusammenschlüsse geschafft. Eine Hauptarena ist die mediale und gesellschaftliche Öffentlichkeit. Unsere These: Bürgerliche Medien und antibürgerliche Verschwörungsmythologie gehören zusammen, weil sie beide den Kapitalismus unberührt lassen. Das Märchen vom Linksruck der letzten Jahrzehnte ertönt aus beiden Lagern und zeigt weder die tägliche Realität des Neoliberalismus, noch sozialökologische Antworten im Sinne der Arbeiter*innen. Wie der Kapitalismus einst wegbereitend für den Faschismus war, präpariert der Neoliberalismus heute den Rechtspopulismus. Was es braucht: eine wirkliche Alternative von links, die medienkritisch schon deshalb sein muss, um Mehrheiten gewinnen zu können. Gemeinsam mit Soziologe und Autor Lukas Meisner ("Medienkritik ist links" 2023) wollen wir in die Diskussion kommen, und eine neue Linke skizzieren, die im Kampf gegen Rechts erfolgreich sein kann.


Wohnen in der Krise: Warum Wohnen ein Luxus geworden ist

Mancherorts haben sich die Mieten in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt, gleichzeitig fallen tausende Wohnungen aus der Sozialbindung und nicht nur in Berlin werden Mietwohnungen zum Objekt der Rendite des globalen Kapitalmarkts. Was können und müssen wir als Sozialist*innen dagegen tun?
Gemeinsam mit Niklas Schenker (Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus für die Linke), Bana Mahmood (Aktivistin bei Deutsche Wohnen und Co. Enteignen) und Max Veulliet (KPÖ Salzburg) wollen wir diskutieren, welche Rolle die Linkspartei, als auch soziale Bewegungen in der Bekämpfung der Mietenkrise spielen können.


Vergesellschaftung als strategischer Kompass?

Spätestens seit dem historischen Erfolg der Kampagne “Deutsche Wohnen und Co Enteignen” sind die Begriffe der Vergesellschaftung und Enteignung in aller Munde. Auch Teile der Klimabewegung wenden sich dem Vergesellschaftungsdiskurs mit dem Ziel einer Vergesellschaftung der Energieversorgung als notwendigen Schritt hin zu einer sozial-ökologischen Transformation zu. Gemeinsam wollen wir  Chancen und Herausforderungen von Vergesellschaftung diskutieren: Was ist der Unterschied von Vergesellschaftung und Enteignung? Wie verhalten sich Vergesellschaftungsforderungen zu betrieblichen Kämpfen und Auseinandersetzungen? Welche Druckmittel braucht es, um Vergesellschaftungsforderungen auch tatsächlich umzusetzen? Kommen wir mit Vergesellschaftung zum Sozialismus? Wenn ja, wie?