Vom Seminarmarxisten zum Organisator der Revolte: Rudi Dutschke und seine Intervention in den Sozialistischen Studentenbund (SDS) 1966-1968

Als die SPD 1961 ihre aufmüpfige Studierendenorganisation ausschloss, hätte sie wohl nie erwartet, dass sie damit den Startschuss für eine der erfolgreichsten Organisierungen links der SPD geben würde. Zunächst lag der Fokus des SDS hauptsächlich auf marxistischen Schulungen und Theoriearbeit. Ab Mitte der 1960er Jahre spürten Kernaktivist:innen des SDS, dass sich die Zeiten änderten und sich neue Spielräume für offensive Bewegungsintervention im Zuge der Anti-Vietnam-Bewegung und des Kampfes gegen die verknöcherten Hierarchien in den Hochschulen ergaben. Um Rudi Dutschke entwickelte sich schließlich eine neue Strömung, die eine eigensinnige marxistische Theorieentwicklung mit einer Taktik der Aufklärung durch Aktion verband - um den SDS schließlich zu dem Organisator der 1968er Revolte zu machen.

Volkhard Mosler war damals selbst im Frankfurter SDS im Vorstand aktiv und wird aus erster Hand die Geschichte des SDS nachzeichnen.

 


Führung in Bewegung - der subjektive Faktor im Marxismus von Lukács bis Barker

Dem Marxismus haftet der Vorwurf an deterministisch zu sein und dem menschlichen Handeln kein konzeptionellen Platz in der Theorieentwicklung zuzugestehen. In diesem Workshop wollen wir uns mit denjenigen Marxisten beschäftigen, die sich schon früh die Aufgabe gestellt haben den "subjektiven Faktor" einen entscheidenden Platz in der Theorie und Strategieentwicklung des Marxismus zu geben. MIt Begriffen wie "Moment" und dem Konzept der Zurechnung schafft Lukács in  weitestgehend unbekannten Textpassagen eigene Begriffe, um Lenins Organisationstheorie zu formulieren. Diese wollen wir nutzen und mit den Ansätze des marxistischen Bewegungsforschers Colin Barker kombinieren. Barker richtet dabei den Fokus darauf Führung in sozialen Bewegungen begrifflich zu fassen und mit der Theoriebildung des Marxismus zu verbinden. Führung fasst er dabei immer als Aktivität von Aktivist*innen gleichzeitig als Verhältnis von Strategie- und Meinungsbildung innerhalb der Bewegung. Beide Theoretiker eint, dass sie ihre Forschung nicht aus akademischen Interesse, sondern vom Standpunkt des Revolutionärs angegangen sind.

Verena Riedmiller und Luigi Wolf arbeiteten als Organizer*innen in verschiedenen Streiks und Kampagnen.


Wie die Nazis erfolgreich geschlagen wurden: Die Erfahrungen von Dresden nazifrei und Rock gegen Rechts

Mehrfach konnten Nazis in Deutschland erfolgreich geschlagen werden. In dieser Veranstaltung wollen wir uns zwei erfolgreiche antifaschistische Kampagnen vornehmen. Rock gegen Rechts in Frankfurt war eine Kampagne die ausgehend von der radikalen Linken ein großes Rock-Konzert organisierte, das gleichzeitig eine breite Demonstrationsbewegung darstellte, die trotz Demonstrationsverbots die Frankfurter Innenstadt besetzte. Nachdem die Nazis in den Jahren zuvor erfolgreich in der linken Hochburg marschiert waren kombinierte Rock gegen Rechts zivilen Ungehorsam mit einer kulturpolitischen Offensive und vertrieb die Nazis. Die Kampagne Dresden nazifrei setzte sich das Ziel den bis dahin jedes Jahr wachsenden, größten Nazi-Aufmarschs Europas zu blockieren. Die Kampagne setzte sich zum Ziel die bisherigen Widerstandstaktiken zu überwinden: weder die auf Straßenkampf orientierte Kleingruppentaktik noch das ohnmächtige Bratwurstfest ohne Konfrontation. Steffi Graf, damals selbst im Kokreis von Dresden nazifrei, wird berichten wie es gelang eine Kampagne aufzubauen, die sowohl entschlossen den Nazis ihren Aufmarschraum nahm als auch in die Breite ausstrahlte.

mit Volkhard Mosler (damals einer der Organisatoren von Rock gegen Rechts in Frankfurt am Main) und Steffi Graf (ehemals im Kokreis von Dresden Nazifrei)

 


Zur Aktualität der Kritischen Theorie heute

Die Kritische Theorie ist Marxismus in reflektierter Form. Ihre These ist: Mit dem Faschismus ist die bürgerliche Aufklärung gescheitert, mit dem Stalinismus das Versprechen der sozialistischen Revolution. Kriege, Folter, Verfolgung und Vertreibung von Menschen gehen weiter als hätte es nie den Versuch gegeben, das Glück einer und eines jeden zu verwirklichen und vernünftige Verhältnisse herzustellen. Ihre Analyse ist weiterhin aktuell angesichts von Ausbeutung der Menschen und der Natur, Antisemitismus und Rassismus, sexulisierter Gewalt und ökologischer Zerstöung bis hin zum sechsten großen Artensterben, der Vernichtung von Lebensgrundlagen für einen großen Teil der Menschheit. Bemerkenswert ist, dass Marcuses These aus den 1960er Jahren erneut zu gelten scheint: die Gesellschaft ist ohne Opposition. Emanzipatorisches Denken und wissenschaftliche Einsicht bleiben weitgehend folgenlos und finden sich nur in Minderheiten. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat es nicht nur die Erfahrungen umfassender Widerstände und Protestbewegungen gegeben, sondern der Kapitalismus hat sich in seiner Gesamtheit verändert. Angesichts der veränderten Formen von bürgerlicher Herrschaft muss sich auch die kritische Gesellschaftstheorie erneuern, und es muss darüber nachgedacht werden, wie aus der emanzipatorischen Tendenz ein Hauptstrom der gesellschaftlichen Entwicklung wird.


Generalverdacht: Wie mit dem Mhythos um Clankriminalität Politik gemacht wird

Die Debatte um sogenannte "Clan- Kriminalität" hat seit Jahren Konjunktur - sie wird nicht nur von prominenten Politiker*innen vorangetrieben, sondern auch medial breit aufgegriffen. Das hat nicht nur eine Stigmatisierung der vermeintlichen Clan- Angehörigen zur Folge, sondern mündet auch in krassen polizeiliche Repressionen. In Berlin- Neukölln können wir täglich Zeug*innen von sogenannten "Clan-Razzien" werden. In "Generalverdacht: Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird" liefern die Autor*innen erstmals eine kritische Bestandsaufnahme der Debatte und versammeln dabei Beiträge aus soziologischer, rechtswissenschaftlicher, feministischer und kriminologischer Perspektive. Gemeinsam mit Jorinde Schulze, Mitherausgebern des Buches, und Mitali Nagrecha (Justice Collective) wollen wir die Erkenntnisse daraus diskutieren. 


Der Osten vor den Wahlen. Linke Antworten auf den rechten Vormarsch

Bei den Wahlen in Thüringen, Sachsen und etwas später Brandenburg droht ein rechter Vormarsch, der die bisherigen Erfolge der AfD noch einmal in den Schatten stellen könnte. Hintergrund dieser gefährlichen Situation sind einerseits ostspezfische Entwicklungen. Andererseits ist die radikale Rechte global im Aufschwung, was zu einer neuen Faschismus-Debatte geführt hat. Daher wollen wir sowohl im Hinblick auf den Osten als auch darüber hinaus diskutieren, wie der andauernde Rechtsruck zu verstehen und zu bekämpfen ist.


KPÖ - Vorbild für eine sozialistische Praxis der LINKEN?

Bei den Gemeinderatswahlen hat die KPÖ Salzburg einen fundamentalen Sieg errungen. Die Partei wurde dort innerhalb von fünf Jahren zur zweitstärksten Kraft und konnte ihr Ergebnis von 2019 versechsfachen. Dies in Österreich 2024, wo die FPÖ auf Bundesebene scheinbar unaufhaltsam Richtung Regierung strebt. Eine kleine Gruppe von jungen, gut geschulten Aktivist*innen rund um die ehemalige österrreichische Grüne Jugend hat in kurzer Zeit die KPÖ wieder aufgebaut. Dieser Erfolg macht Mut und auch hierzulande beginnt die Debatte darüber, was man daraus lernen kann. In der Krise der Linken erscheint die KPÖ als Heilsbringer. Wir wollen anschauen, was die Gründe für den Erfolg der KPÖ sind, auf welche Wählermilieus sie fokussieren, wie ihre Themenfokussierung funktioniert und welche Rolle Bürgersprechstunde sowie Gehaltsabgabe spielen.


Fanon und die Gewalt der Unterdrückten

Frantz Fanons “Die Verdammten dieser Erde” (1961) gilt als kommunistisches Manifest der antikolonialen Revolutionen. Zu Recht! Fanon beschreibt, wie (und mit wem) dekoloniale Gewalt zu organisieren ist - nicht, weil er sie “verherrlicht”, sondern weil er sie als notwendig betrachtet: Notwendig zur Überwindung von Kolonialismus und Neokolonialismus, notwendig zur Errichtung des Sozialismus. Bezogen auf den algerischen Befreiungskampf leitet Fanon in seinem Werk nachvollziehbar her, inwiefern die Gewalt der Unterdrückten stets sekundäre Gewalt ist - als Reaktion auf den Kolonialismus, der sie entmenschlicht und negiert.
In dieser Veranstaltung wollen wir uns mit Fanons Person und dem historischen Kontext seines Wirkens (insbesondere dem Algerienkrieg) beschäftigen. Außerdem wollen wir zentrale Stellen aus “Die Verdammten dieser Erde” gemeinsam lesen, denn: “Europäer, schlagt dieses Buch auf [...] Habt den Mut, Fanon zu lesen, aus diesem ersten Grund, dass er euch beschämen wird, und weil die Schande, wie Marx gesagt hat, ein revolutionäres Empfinden ist” (Sartre im Vorwort).


Zoom: Do we have the time for majorities? A conversation about strategic challenges for the climate movement

[Translation available/Übersetzung möglich]

English: To tackle the climate crisis, we need a mass movement of unprecedented proportions. So far, so good. From 2018 onwards, the growing climate movement gave rise to some hope of a movement that could fight for upheaval. But now it has been significantly weakened - and there is no sign of a movement that could unhinge disaster capitalism. Meanwhile, the climate crisis continues to escalate, and every activist knows the powerlessness and despair that sometimes overtakes us in the face of this. We ask ourselves: Do we have the time to build majorities? Given the urgency of the climate crisis, shouldn't we take shortcuts? How do we win the race against time and, above all, where do we find the strength to act with a clear view while reality becomes increasingly unbearable?

Deutsch: Um die Klimakrise zu bewältigen, brauchen wir eine Massenbewegung ungeahnten Ausmaßes. Soweit, so gut. Mit der erstarkenden Klimabewegung keimte ab 2018 ein wenig Hoffnung auf eine Bewegung auf, die Umbrüche erkämpfen kann. Doch jetzt ist sie deutlich geschwächt - und eine Bewegung, die den Desasterkapitalismus aus den Angeln heben könnte, ist nicht in Sicht. Währenddessen eskaliert die Klimakrise weiter, und jede:r Aktivist:in kennt die Ohnmacht und Verzweiflung, die uns angesichts dessen manchmal ereilt. Wir fragen uns: Haben wir die Zeit, um Mehrheiten aufzubauen? Müssten wir angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise nicht abkürzen? Wie gewinnen wir den Wettlauf gegen die Zeit, und vor allem: Woher nehmen wir die Kraft, mit klarem Blick zu agieren, während die Realität immer unerträglicher wird?


Auf der Suche: Roadmap des ökologischen Klassenkampfes

„Climate Change is Class War“, lautet ein schöner Titel, aber was ist ökologischer Klassenkampf überhaupt und wie sehen ökologische Klassenkämpfe aus? In den letzten Jahren gab es auch in Deutschland erste Versuche und Erfahrungen in ökologischen Klassenkämpfen, ob in der TV-N Kampagne oder der Allianz von Klimaaktivist*innen und Bosch-Arbeiter*innen in München Berg am Laim. Wir wollen in dieser Veranstaltung an diese Entwicklungen anknüpfen und uns fragen: Was sind ökologische Klassenkämpfe? Was sind mögliche Konfliktfelder für ökologische Klassenkämpfe? Welche Akteure spielen in ökologischen Klassenkämpfen eine besondere Rolle? Wie sieht eine proletarische Ökologie aus? Welche historischen und aktuellen Beispiele gibt es für ökologische Klassenkämpfe und was lässt sich aus ihnen ableiten?